Heimatverein Rüthen e.V.

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Chronik der Rüthener Museumsstuben

Die Hausstätte Knickenberg/Graeß und seine Bewohner Als erster Eigentümer eines Hauses an der Ecke Hachtorstraße/Ritterstraße lässt sich Cordt (=Konrad) von Loen (+ 1610) nachweisen, der 1573 Bürgermeister der Stadt Rüthen ist und einer alten ortsansässigen Adelsfamilie ent-stammt.

1583 – Seit dem 12. Mai residiert in diesem Haus der vom alten Glauben abtrünnig ge-wordene Kölner Kurfürst und Erzbischof Gebhard Truchsess von Waldburg während seines Aufenthalts „mit großem Kriegsvolk“ in Rüthen, wo er einen Teil der westf. Städte u. Ritterschaft zu einem Treuebekenntnis nötigt, die Rüthener Hauptkirchen seinen Prädikanten [=Predigern] übergibt und die katholischen Mitglieder des Magistrats sowie glaubenstreue Priester der Stadt verweist.
In seinem Tagebuch über diese sogen. Truchsessischen Wirren schreibt der Zeitzeuge Gerhart von Kleinsorgen zu diesen turbulenten Maitagen, in deren Verlauf die Rüthener Kirchen auch einem vom Truch-sess initiierten Bildersturm anheim fallen: „Als nun diese und dergleichen Dinge zu Ruden beratschlaget und Truchseß zu der-selben Zeit am Pfingsttage [=19. Mai] nach dem alten [=Gregorianischen] Kalender in der Kirchen zu Ruden auf die neue Weise (=protestantisch) predigen lassen, ist mit-tlerweil in seiner Herberg in Cordts von Lohn Behausung der Schornstein ange-zundet und derwegen die Feurglocke geschlagen und daraus ein solcher Tumult und Schrecken entstanden, dass menniglich, auch der neue Praedicant und der Truchseß selbst, aus der Kirchen geloffen und gerufen: „Ach der Feind, der Feind!“ Offenbar vermuteten der umstrittene Kurfürst und seine Anhänger darin einen An-schlag ihrer (auch innerstädtischen) katholischen Gegner.
Nach seinem Abzug aus Rüthen am 22. Mai lässt der Truchsess daher in diesem Haus einige seiner geistlichen Kommissare zurück, die sich in der Stadt, wie von hier aus auch im ganzen Herzogtum Westfalen bis in das Jahr 1584 mit großem Eifer um die Durchsetzung der Augsburg-er Konfession, d.h. des Protestantismus bemühen.

1635 – Mitte des 30-jährigen Krieges steht das Haus im Besitz des Bürgers Johannes Hart-mann, bei dem in diesem Jahr zwangsweise hessisches wie auch später kaiserliches Militär einquartiert wird, das die Stadt Rüthen zu dieser Zeit besetzt hält.

1647 – befindet es sich im Eigentum des Stadtkämmerers Johannes Höne, der die Soldateska eines schwedischen Regiments in sein Haus aufnehmen muss.

1682 – Über die Heirat mit dessen Tochter Anna Lucia gelangt das Gebäude an den aus At-tendorn stammenden Wirt Antonius Tütel. Seine Familie stellt im Lauf des 18. Jahrhunderts 4 Bürgermeister der Stadt Rüthen. Ihr Wappen findet sich heute noch oben rechts in der Supraporte des barocken Rathausportals.

1750 – Durch Heirat mit der Erbtochter Maria Franziska Lucia Tütel gelangt das Haus in den Besitz des Rüthener Kaufmanns Mathias Graeß.

1780 – Sein Sohn Anton Joseph Graeß wird Rüthener Bürgermeister, er ist Oekonom (=Gutsbesitzer), beschäftigt im Haus 2 Knechte und 5 Mägde und ist zugleich Pachteinnehmer für das ehem. Ursulinenkloster. Sein Bruder Friedrich Ferdinand Graeß übernimmt

1790 – das Rüthener Bürgermeisteramt. Der Gutsbetrieb Graeß entwickelt sich zu einem der größten Anwesen in der Stadt.

1803 – Als erster Bürgermeister in Rüthen unter der neuen Herrschaft des Landgrafen Ludwig X. von Hessen-Darmstadt leistet Anton Joseph Graeß in Arnsberg den Huldigungseid gemeinsam mit den Repräsentanten von Brilon, Geseke u. Werl für die westf. Stadtku-rie gegenüber dem neuen Landesherrn.

1806 – Großherzog Ludwig 1. von Hessen-Darmstadt ernennt ihn zu seinem Steuereinnehmer in Rüthen. A.J. Graeß stirbt 1813.

1817
– Sein Sohn Franz Bernhard Johannes Graeß ist ebenfalls Oekonom, als Magis-tratsmitglied zudem preußischer Steuereinnehmer in Rüthen.

1835 – In der Nacht vom 27. auf den 28. November brennt das alte Bürgermeisterhaus von Loen/Tütel/Graeß (incl. aller Nebengebäude) zusammen mit 8 weiteren Wohnhäusern, die sich beiderseits der Hachtorstraße im Abschnitt zwischen Hachtor und Rit-terstraße/Mittlere Straße befinden, vollständig ab.

1836 – Bernhard Graeß errichtet auf den Grundmauern ein neues, im klassizistischen Stil ge-haltenes Fachwerkgebäude als Wohnhaus mit doppelläufiger Außentreppe. 1837 werden das rückwärtige massive Stall- u. Scheunengebäude und an der Hachtorstraße ein Speichergebäude im Fachwerkstil des Wohnhauses erbaut.

1845 – In diesem nördlich vom Wohnhaus separat errichteten Fachwerkgebäude (heute Mu-seumsstube des Heimatvereins) wird von ihm eine „bairische Bierbrauerei“eingerichtet (d.h. das Bier wird nach dem bayerischen Reinheitsgebot von 1516 nur aus Malz, Hopfen und Wasser hergestellt). Damit sind in der Stadt Rüthen zu dieser Zeit 3 gewerbliche Brauereien vorhanden.

1854 – Nach vielen vergeblichen Versuchen zur Eröffnung einer Bierschenke bekommt erst sein Sohn Philipp Bernhard Lucian Norbert Graeß, der neben seinem Beruf als Oekonom (= Großlandwirt) auch gelernter Bierbrauer ist, dazu die Konzession vom Rüthener Magistrat erteilt, da die Rüthener Obrigkeit die Existenz von bislang 7 Gas-thäusern in Rüthen „als für eine solche Stadt völlig ausreichend“ erklärt. 1865-1875 ist Graeß städt. Beigeordneter.

1875 – tritt er im Kulturkampf wegen seiner Mitgliedschaft im Mainzer Katholikenverein von diesem Amt zurück, bleibt jedoch Stadtverordneter u. Kirchenvorstandsmitglied.

1870 – wird sein Bauantrag auf Errichtung eines neuen Brauhauses in der Gemarkung „In der Milde“ von der Stadt Rüthen genehmigt 1878 Am 12. Dezember stirbt Bernhard Graeß. Der Brauereibetrieb wird nun durch den 38-jährigen Braumeister Anton Kellerhof geleitet. Die Witwe Friederike Graeß führt das Gasthaus nach dem Tod ihres Mannes weiter.

1888 – Nach dem Tod der Mutter übernimmt ihr Sohn Franz Joseph Graeß die elterliche Brauerei und Gastwirtschaft. 1893 wird ein Dampfkessel in einem dafür funktionsgerecht errichteten Gebäude (als Anbau an das Brauhaus „in der Milde“) installiert, das ab 1904 durch ein Spülhaus, dann durch ein Kesselhaus erweitert wird. Der Betrieb firmiert seit

1893 – unter Beteiligung seines Schwagers, Bankier Fritz Meschede in Meschede, der ab 1907 Alleininhaber ist, zunächst als „Dampfbierbrauerei Graeß & Co.“, später dann als „Mildenthal- brauerei Graeß & Co.“ und hat 7 Beschäftigte im Jahr 1908. Anfang 1912 aber wird dort der Braubetrieb eingestellt und nur noch die hier seit 1909 ebenfalls vorhandene „Landwirtschaftliche Branntweinbrennerei B. Graeß u. Co.“ vom Eigentümer Fritz Meschede weitergeführt.

1902 – Einbau einer Gewölbedecke im Keller des „alten Brauhauses“ an der Hachtorstraße.1907 Am 16. April stirbt Joseph Graeß als letzter männlicher Spross seines Stammes in Rüthen. Erbin seines gesamten Vermögens wird seine mit dem o.a. Bankier u. Bren-nereibesitzer Fritz Meschede verheiratete Schwester. Sie beantragt die Konzession zur Weiterführung des Gastwirtschaftsbetriebes.

1908 – Seit dem 1. April ist der 38-jährige Konrad Knickenberg Pächter dieses Gasthauses, für das er am 07. April 1909 durch den Magistrat die offizielle Konzession erhält. In seiner Stellungnahme an den Landrat schreibt Bürgermeister Wilhelm Thiele: „Die alte Wirtschaft Graeß ist mit Rücksicht auf den Verkehr von auswärtigen Fuhrwerken und die hier für diese gebotene Ausspanngelegenheit ein großes Bedürfnis für unsere Stadt.“

1913 – Als neuer Eigentümer des Graeßschen Anwesens baut der Gastwirt und Kaufmann Konrad Knickenberg das „alte Brauhaus“ zu einer Lagerstätte für Düngemittel um. Er stirbt 1935 im Alter von 65 Jahren.

1939 – Seine Witwe Antonia Knickenberg geb. Hüser aus Wünnenberg schließt im Rahmen eines großen Umbaus die Lücke zwischen Gastwirtschaft und Lagerhaus durch einen passenden Anbau im Fachwerkstil, wodurch der bereits vorhandene Laden eine Erweiterung erfährt. Es werden 2 Schaufenster eingebaut und der gesonderte Laden-zugang von der Hachtorstraße her geschaffen. Das nun dort befindliche Kolonial-warengeschäft und die anliegende Gastwirtschaft führt sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1941, sie wird nur 50 Jahre alt. Den Betrieb übernimmt dann ab 1942 zunächst der Pächter Friedrich Oberstadt.

1947 – Die Bruchsteinmauer an der Hachtorstraße wird vom Sohn Konrad Knickenberg zurückgebaut und erneuert.

1952 – Die Gastwirtschaft wird vom Pächter Hans Herting geführt. Kaufmann Josef Blöink pachtet den Lebensmittelladen an. 1957 Erstmals wird ein beleuchtetes Wirtshaustransparent angebracht.

1959 – Die nördliche Fachwerkseite des „alten Brauhauses“ wird durch eine Massivwand ersetzt. 1968 Die Süd- und Ostfassade (Fachwerk) des Gast- u. Wohnhauses wird in Ziegelbauweise erneuert.

1977 – Kaufmann Josef Blöink schließt das Lebensmittelgeschäft und eine ein Quelle-Agentur mietet das Geschäftslokal an. 2004 Das im Ladenteil des „alten Brauhauses“ untergebrachte Quelle-Agentur schließt.

2005 – Der Heimatverein Rüthen e.V. mietet das „alte Brauhaus“ an, restauriert die Fachwerkfassade und baut es im Innern um für die Zwecke der heutigen Rüthener Museumsstuben“2006 Der Heimatverein Rüthen e. V. erweitert das Museum. Die obere Etage wurde aus-gebaut.