Aus der Geschichte des Bäckereiwesens in der Stadt Rüthen
Das Handwerk der Bäcker in Rüthen ist zweifellos so alt wie die Stadt selbst, die i.J. 1200 gegründet wurde, stellt Brot doch seit ältesten Zeiten bis zum heutigen Tag nicht nur im mitteleuropäischen Kulturraum nachhaltig das wichtigste Nahrungsmittel der Menschen dar. So werden denn auch in den überlieferten Statutarrechten der Stadt Rüthen aus dem frühen 14. Jh. die Bäcker als eines der in der Stadt vorhandenen Handwerke aufgeführt. 1350 haben sie sich dann bereits als Zunft organisiert.
Im Jahr 1553 erneuern sie ihre Amtsregeln. So wurde jährlich aus den Reihen der in Rüthen ansässigen Bäckermeister ein neuer Amts- oder Gildemeister gewählt, dem als Amtsknecht ebenfalls ein Meister zur Ausführung der Zunftgeschäfte unterstellt wurde.Das Bäckeramt besaß eine eigene Gerichtsbarkeit über alle Angelegenheiten seines Handwerks, die Einhaltung der festgelegten Berufsnormen und die Erledigung von Streitfällen und. Regelwidrigkeiten unter den Amtsbrüdern. Die Ausübung des Bäckerhandwerks in Rüthen war an das Bürgerrecht gebunden; Gewicht und Qualität der Backwaren wurden fortlaufend seitens des Rüthener Magistrats durch den städt. Brotwieger kontrolliert.
Die Unterschreitung von festgelegten Gewichtsmaßen konnte sogar ein Berufsverbot nach sich ziehen. Auch in sozialer Hinsicht gab es eine besondere Verpflichtung für die Bäcker als Zunftmitglieder: In Zeiten von außergewöhnlichen Getreideteuerungen musste für die Armen in Rüthen stets ein besonders preisgünstiges Brot hergestellt werden! ImÜbrigen wurde das Verhältnis zwischen dem jeweiligen Preis des Brotgetreides (Roggen, Weizen) und dem Gewicht der Brotsorte (Kleinroggen oder Weißbrot)genau festgelegt. So beschloss 1652 der Rat, „daß die Beckers in Erwegung das Mutte Roggen vor 1 Goldgulden und das Mutte Weizen vor 1 % Königstaler einzukaufen, jeden Schilling Kleinroggen im Verkauf auf 1 Pfund 14 Lot, jedes Sechspfennzigsweißbrot auf 14 Lot schwer, aufrichtig, gar, auch wo/gebeutelt backen und feil halten sollen“.Damit dieses für den sozialen Frieden in Rüthen so grundlegend wichtige Gebot eines fixen Preis- Leistungsverhältnisses bei Brotherstellung und -verkauf auch eingehalten wurde, drohte der Rat jedem ansässigen Bäckermeister damit, „aufwidrigem, ungehorsamen, frevelmutigen Fall gewertig zusein, das man nicht allein solches Stückgut conjiscieren und preiß machen, sondern auch gegen den Verbrecher mit scharffer unvermeidlicher Straff verfahrenwerde, danach sich jeder zu richten und vor Schaden zu hütenwißen wirdt!“
Die Bewohner der Dörfer im Raum Rüthen – dem Gogericht – mussten seit 1657 nicht nur ihrzu veräußerndes Getreide auf dem Rüthener Markt anbieten, sondern durften.auch ihr Brot nur von den in der Stadt ansässigen Bäckern erwerben. Die landesherrlichen Marktprivilegien der Stadt sicherten so insbesondere den Rüthener Bäckern einen auskömmlichen Berufsstand. Aber schon 1648-am Ende des 30-jährigen Krieges und bei einer damals auch durch Seuchen dezimierten Einwohnerzahl von nur ca. 1.200 Stadtbewohnern in Rüthen war das Bäckeramt mit 16 Mitgliedern die größte aller städtischen Zünfte.Im Gegensatz zu den Bewohnern des Gogerichts hatten die Rüthener Bürger jedoch das Recht, an besonderen familiären Festtagen (Hochzeit, Kindtaufe, Hausheben=Richtfesten etc.) ihr Brot und andere Teigwaren selbst herzustellen, wozu jedem Bürger auch erlaubt war, in seinem Haus einen eigenen Backofen anzulegen und in diesen Fällen zu betreiben.
Der Patron der Rüthener Bäckerzunft war der hl. Michael, dessen Fest von den Meistern jährlich am 29. September in der St. Nikolauskirche feierlich begangen wurde. Bis zum Ende der kurkölnischen Regentschaft zu Beginn des 19. Jh. und der Einführung der Gewerbefreiheit durch die hessische Landesherrschaft wurde das Rüthener Brot aber nicht nur in der Stadt und den benachbarten Dörfern des Gogerichts verkauft. Aufgrund seiner namhaften Qualität „exportierten“ die Rüthener Bäcker ihre Brotwaren lange Zeit u.a.auch bis nach Büren, Warstein, Brilon, Meschede und Arnsberg. Deswegen kann man im Rückblick auf die örtliche wie überregionale Bedeutung dieses traditionsreichen und qualitätsbewussten Rüthener Handwerks mit Fug und Recht behaupten:Brot aus Rüthen – ein gutes Stückkurkölnisches Sauerland !